Albanische Literatur
Arshi Pipa | Brikena Smajli | Frederik Rreshpja | Gazmend Krasniqi | Ledia Dushi
| Martin Camaj | Primo Shllaku | Ridvan Dibra | Stefan Çapaliku | Sokol Zekaj
Einige Verfasser von Shkodra übersetzt auf Deutsch von Hans-Joachim Lanksch
GAZMEND KRASNIQI (1963)
Spiel
Verlassen alles von Gott
der verborgen vor uns schmeichelt
ein Kinderspiel im Sand,
wird mein Leben eine Sphäre GeheimnisseVerlassen von uns, über unsern Köpfen,
schlagen die Engel reihenweise mit den Flügeln,
und Tränen fließen aus ihren Augen
sei es auch, zumindest, vor LachenVerlassen von jeder Herzensebbe,
einst gezähmt von meiner Stimme,
zeichne ich immerfort Schweigen
zu majestätischer Elegie zerbröckelt esdas Klagen macht mich zum Mann
Vater, sag mir wann du stirbst
zum Jungen macht mich die leere Welt
Mutter, sag mir wann du stirbst
Notizen über die Realität des Selbst
Die Seele im Dorngestrüpp des Luftschöpfens
und Wolken und Vögel am Himmel gestickt:
Mögliches unterworfen, Nostalgien aufgebrochenIn einer Welt voll Wüsten ohne Geschmack von Fluchten:
stärker denn weit fort innen rauschend –
immer und kein Grabstein bleibt aus,die Strümpfe von der Mutter für den Winter aufgespart,
trübselige Musik des schnellen Fliehens
bevölkernd, kleinsten Gram dividierendWieder Einsamkeit, Brot, Wasser – der Mensch
der lange hocken muß und grübeln
über das unbekannte AllesÜber die Bejahung des Lebens selbst
– der Blitz zuckt und würdigt im Zimmer
die Geheimnisse der Welt: Beweise
erbracht von Ruhe, schwerer als alles
Der Garten des I. Kant
Im kleinen Garten Ehrungen von Wassern und Muschel.
Niemandem konnte ich die Zeitverluste anvertrauen:
ein schmaler Graben im Kiesufer des Herzensscheint die Toten zu rufen daß sie aufwachen.
Die Lebenden sind weiter fort. Nichts füllt den Abgrund:
Worte die uns ein klein wenig ähneln werden AbendOhne Möwenflügel. Ausgedachte Sterne,
in Wahnhemden, sprechen mit Schächten, Zisternen,
bereit den Wahnsinn selbst zu streifenBis sie in Kreisen scheuen Schreiens verschwinden.
Und wollen doch nichts als daß man sich ihrer erinnert.
Und wollen doch nichts als etwas Achtung zu finden.Dieses Geheime das ihnen mehr Schatten spendet
wird mir nun zum einzigen Gespräch. Besonders
hiervon möchte ich immer berichtenWährend ich hier wirbele, während ich denke
daß vielleicht hiervon hierzulande der Dreisprung
träumt, der stumme Garten – selbstDie Freiheit des Denkens: wieder der einzige Schatz
der deklariert wird mit all diesem
Rennen von Planeten und den Bürgerpflichten.
ars poetica
Beim armen Vogel auf einem Lager aus Laub
der den klammen Garten mit Klagen bekümmerte –
so lange schon der Geist des Herbstes
mit klagendem Rauschen des Regensfordert er von der verlorenen Glocke der Sonne
die Kirche der Messe drinnen im Herzen
des toten Vogels. In sein beharrliches
Erinnern – das feurige, leidenschaftliche,das luftige, archaische – fällt der Geschmack
der Frucht: wo die Leben einen skandalösen
Baum von Tragödien abwägen und erwägen: er fällt
von niemanden zu jedermann. Das ist der Toddes Autors am Strickwerk des Textes. Die Kunst
bringt keine Nichtkunst um: wenn du magst, kannst du fragen
wieviel Kaffee, wieviel Schachteln Zigaretten. Die Kunst
lebt von der Nichtkunst. Es sei denn wir wärenZu sehr bei uns selbst, bei den Dingen
zu sehr bei der Hand die schreibt,
es reichen ein paar Zeilen wie „nimm
eine süße Träne“ oder „der Herbst verging“.Ebenso wenig reicht daß jemand
heut abend das Haus bei diesen Klängen hat
und beflissen für euch den Schleier
des Gewöhnlichen hebt: die Glockedie in der Kirche schwingt, in der Illusionen
zerstört werden, um der Welt die Kunde zu bringen
daß der Autor davonkommt
wenn er stirbt.
Voltaire lesen
Wenn sich, wie ein Alarm, der Tag
dem Untergang öffnet (weder Traum
noch Amulett jemalsetwas nützen), Totenreigen tötet,
intime Nostalgie und jede Schlaflosigkeit
ein rankes Mädchen Tanusha erschießt.Dieser Brief erklärt alles und nie
wird er abgeschickt – mehr Qual
als Dunkel, verborgener Rauch quilltund deutet mit dem Finger
auf seine alte Schrift, besonders selbstsicher,
als läg sie ihnen am Herzen,und wie um einige Achtlosigkeiten
zu verhöhnen, und nimmt einen Himmel
von Treubrüchen entgegen: in den Blätternsteckt Schlafen für erloschene Seelen?
Opfer des Fadens der erscheint und verschwindet
sah ich Alpträume der Erde mit dem Denken
des Lebens daß sie sich eine Vermutung anzögen
wir würden das Bewußtsein ausbreiten.Ich sah daß zyklischer Regen alles
wegputzte – da spritzte Blut
von Opfern auf, der Blutsturz des Lichtes
sagte: auch das geringste Ding gehört
niemandem. Auch jedes Atom
der späten Stille, auch die Stimmen
die näherkommen und dann verzichten.Ob wir wollen oder nicht, wir sind
die wir sind. Fertige Palimpseste,
aus Pergament, so groß
daß sie all die möglichen Sachen nehmen.Wo Wunder einhertappen, Visionen und Fetische.
Wo auch Mutter Sonne keine Kosmetik
spart, so ohne Augen und HändeMorgen und Abenddämmrung erkennt. Die Sterne –
die sie auch mit nur etwas von ihrem Blut
nicht nähren, da sie die Mythen wie Harlekine
begleiten werden: einst war es leicht
auf Götzen zu zielen und sie umzustürzen.
Des Dichters Palimpsest
1.
Von nirgendwoher und ungerufen2.
Die Menschheit zieht sich kurz in die gewaltsamen Akte
ihres Säuglingsalters zurück3.
Diagnostiziert wird emotionales Fieber.4.
Legt ihm die Muse eine Leier in die Hand, stockt der Lauf des Flusses,
werden Bestien zahm, neigen sich die Bäume und die Steine rutschen
Jenseits der Geschichte, jenseits des Ersinnens
Oder, wie er selber sagt, „wie großartig ist all dies, wenngleich
nicht wahr“5.
Außer wenn er Gefühle weckt, Leidenschaften, warum sonst
zerren sie den Armen aus dem Land,
so obdachlos, so verwurzelt
im Reich der Ideen
in Gedanken an die Freiheit,
denn wer seinen Traum erzählt
muß ganz ausgeschlafen sein6.
Die Worte „oft sagt er Schönes, doch ohne zu wissen, was er tut“
– wie ein Regenguß aus Schutzengeln7.
Geht es ein in Maß, Glanz, Harmonie
dann heißt dieses süße Gift: Ausstrahlen göttlichen Seins8.
Und dennoch, treten seine Füße auf Boden,
so sieht er daß ihm die Engel Wege eröffnen,
betrachtet er Häuser, Wohnblöcke, Städte
betrachtet er Künste und Wissenschaften,
so denkt er, wie sehr der Mensch verhaftet ist, so ist er
doch ihr Herr ist der Herr auf Erden
die Krone aller lebenden Dinge9.
Der Dichter spielt, denkt, träumt:
Gott soll seine Scherze anschauen –
wenn er Sachen besser macht als die Natur
wenn er neue Sachen macht, die sie nicht kennt10.
Das Wachsen der Dinge allerdings ist wahr. Allerdings
ist der Ozean ein Ozean, die Alpen sind Alpen,
allerdings ist der Orkan ein Orkan11.
Ebenso wahr ist auch ihr Rufen, sie umzubenennen12.
Und dann fühlt er sich fünftausendjährig13.
Er schaut was er war, er ist nur ein alter Schatten
Wie der Vogel der ähneln wollte der allein
sang auf dem höchsten Zweig14.
Er sieht zu, der Sonne die goldne Scheibe abzuziehen
um zu finden was dort leuchtet: wahrer Ruhm15.
nur Er ist er16.
Er sieht daß du Du selbst sein mußt, jedem geben mußt was er verdient17.
Du mußt der Einzige sein18.
Er ist der, der im Feld sitzt, an der Blume zu riechen die erblühte
bei Tagesanbruch19.
Er ist der, der nur deswegen weinen muß
Jenseits der Geschichte
Wortblut im Kopf
wie Ängstlichkeit von Lichtern, wie ein Himmelsfluß,
die Seele leer – ein Kreis
der nur seinen Mittelpunkt zeigt,
ein Totem, geschnitzt
auf das Holz einer stummen Lahuta*
Eine Epoche, umgestürzt
im Wind. Hat das einen Sinn?
Ein anderer Gott betrachtet
die Gesten von Helden und Heiligen,
aus denen Kitsch wurde? Eine andere
Ahndung wird vorbereitet? Mit Worten,
Verschlissen wie Kleider,
in Gärten des Mythos, hier, angesichts
der Leidenschaft der Sonne,
die Ikone des Lichts, sie ergießt
den Trug der Zeit ins Meer
des Alls, flickt goldene Altäre
Um Krone und Ring zu beweinen
fortgeschleudert in ein Orchester hungriger
Gesten – schlaflockendes Echo
bei ausgegrabenen Amphoren
dort umreißt eine Flut von Sonne
wiederum verweinte Verwunderung
Des Lebens, mißbrauchtes Relikt
im tragischen Gewerbe der Güte.
Die Namen Adam und Eva zeigen
wie es begann. In den endlosen Mauern des Tages
die Insel Utopia
besteht darauf sich dem Blick zu entziehen
Schönheit des Blutes, sie schlägt
an die Stirn der Zeit, die grausame Rose
mit der sie lügt
Adam
1.
Der Körper – Symbol des Denkens das verschleiert, das Denken selbst – Symbol
von etwas anderem das verschleiert
Und dennoch weiß er nicht ob er zur Freiheit geht oder vor ihr flieht2.
Noch hat er kein Vertrauen oder heilige Wörter, Paradies oder Inferno
die einzigen Reichtümer – Denken, Fühlen
Die Stufe der Gründe nicht zu sehen und ihre Energie geschluckt von den Dingen3.
Er schätzt das Denken denn wie er denkt so wird es: er fühlt sich
als Wurm doch glaubt er, er sei auf dem Weg heilig zu werden
Als heilig sieht er sogar den Wurm an4.
Zeit scheint ihm nur eine Art des Denkens zu sein
wenn er sich müht das Ich zu den Worten „ich habe Recht“ zu erheben
Wenn er sieht daß Gott nichts braucht
Eva
Da Versuchungen und Teufel aus mir aufbrachen
Und mein kindlicher Geist in Gottes Schoß sitzt
So vernünftig das Unverständliche
Nicht zu trennen vom Himmel war ich
Mittwoch Donnerstag Sonntag
Im Sommer im Herbst im Winter
Mein Seele suchte ein Sandkorn
Um die Unendlichkeit zu lesen
Und ich sah Worte die verschwanden
Wie Duft, und ich sah Schweigen das durchpflügt wurde
Und Herzschläge
Und Nachtigallenlieder
Und Regen-Lose
Und ich tauchte tief in den Eifer der Rasse
Und ich zwängte mich tief in die Flecken des Grauens
Und all das besingen die Musen
Die ganze Menschheit hat einen Liebsten
Mit Luft eingesammelt
Im Lied ist der Tag nicht so lang wie er sein sollte
Wie kannst du wissen zu wem du gehörst wenn du
Bloß eine Seele bist
Wie kannst du wissen wohin die unstete Pracht führt
Er der Fragen stellt
Ob du denn deine Herrlichkeit nicht erkanntest
Ob du sie denn nicht als Zeichen von Überlegenheit und Stärke erkanntest
Offen, Silbe um Silbe im Herz der Gesundheit
Frieden braucht Stärke um ihn zu ertragen Er
Der Fragen stellt Ob du der Seele trauen kannst
Bis zu guter Letzt, ist in mich eingetreten
Und wurde Er der ich bin
Er trat in mich ein wie ein scharfes Messer des Gefühls (was für ein Loch im Herzen)
Denn diese Welt muß ich beobachten und haben
Er trat ein wie die Note des Liedes das er singt
Mit Gedanken mach dich nicht verrückt, sondern geh deines Weges
– der Natur gefällt es nicht
Beobachtet zu werden: sie mag uns als Spielgefährten:
Nichts also bleibt außer dem Tod,
der einzigen Realität
(Es ist Platz für Zufriedenheit) die sich vor uns nicht drückt.
© Gazmend Krasniqi
© Übersetzung Hans-Joachim Lanksch
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