Martin Camaj auf Deutsch

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Martin Camaj

Albanische Literatur

Auf Deutsch von Hans-Joachim Lanksch
Arshi Pipa | Brikena Smajli | Frederik Rreshpja | Gazmend Krasniqi | Ledia Dushi
| Martin Camaj | Primo Shllaku | Ridvan Dibra | Stefan Çapaliku | Sokol Zekaj

Einige Verfasser von Shkodra übersetzt auf Deutsch von Hans-Joachim Lanksch

Martin Camaj (1927-1992) – Synthese von Gegensätzen

1.

Martin Camaj Gegensätzliches und Widersprüchliches durchzieht wie ein roter Faden das Leben und Schaffen Martin Camajs. Das beginnt bereits bei seinem Geburtsjahr, das überall mit 1925 angegeben ist. „Das ist ein Fehler in meinen Papieren. Ich bin 1927 geboren“, sagte Camaj.

Schon früh mußte er weitaus gravierendere Gegensätze verkraften. Er wuchs in einer ablegenen Bergregion Nordalbaniens auf, deren Leben durch archaische Formen bestimmt war. Die geistige Kost in dieser Bergwelt war geprägt von ihrer Schriftlosigkeit. Was gesungen und erzählt wurde, stammte aus mündlichen Überlieferungen. Diese oralen Traditionen waren gekennzeichnet durch Verzicht auf gedächtnisbelastenden Ballast, formelhaft zusammenraffende Wiedergabe sich wiederholender Inhalte und durch bildhafte Darstellung, man dachte und sprach in Bildern.

Um ein wenig die Welt zu veranschaulichen, in der Martin Camaj seine Kindheit verbrachte, sei hier eine Begebenheit berichtet, die er selbst erzählt hat: Die Dorfbewohner glaubten, die Seelen der Verstorbenen als Schatten durch die Luft fliegen zu sehen. – Das Wort ‚Schatten‘ wird uns in Camajs Gedichten des öfteren begegnen. – Der Ortsgeistliche, ein Pater Pepa, hatte im fernen Graz Theologie studiert. Er hatte bereits viele lange Jahre hindurch seinen Dienst unter den Bergbewohnern versehen, als ihn der kleine Camaj fragte, was er denn von der Sache mit den Schatten halte. Der Theologe antwortete: „Inzwischen sehe ich sie schon selber.“

Aus dieser Welt kam Martin Camaj in eine für ihn ganz andere und zunächst fremde Welt am italienischen Jesuiten-Gymnasium in Shkodra. Aus der Welt der Bilder kam er in die Welt der Bildung, aus dem kleinen Dorf Temal in das urbane Ambiente von Shkodra, vom Berg in die Ebene. Dazwischen lagen für ihn Welten: Das Leben oben stand im Zeichen der Hirtenkultur, das Leben unten im Zeichen des Handwerks und des Ackerbaus. Martin Camaj charakterisierte später im Gespräch die beiden Bereiche damit, daß man sich in der rauhen Bergwelt in Wolle kleidete, unten im Tal in Leinengewänder. Auf den sensiblen Camaj hat das unterschiedliche Empfinden dessen, was man auf der Haut trug, lebenslang einen nachhaltigen Eindruck gemacht. Aus den beiden Sphären, in denen Martin Camaj seine Kindheit und Jugend verbrachte, hat er sich einerseits die Verträumtheit des Hirtenbuben und dessen Fähigkeit bewahrt, hinter der äußeren Erscheinung der Dinge in der kargen Bergwelt eine tiefere und weitere Dimension zu sehen.

Ibrahim Rugova - Martin Camaj - Magisteratarbeit, Dardan DobraIbrahim Rugova – Martin Camaj – Magisteratarbeit, Dardan Dobra

In gleichem Maß hat er sich – neben gründlicher Bildung, Disziplin und analytischem Denken – die Klarheit im Geistigen bewahrt, die ihm durch jesuitische Spiritualität vermittelt worden war. Beides, träumerische Hellsichtigkeit und geistige Klarheit, läßt sich subsummieren unter dem Begriff der In-spiration und bildet einen Nährboden für den künftigen Dichter Camaj. Dieser Nährboden wurde, um im Bild zu bleiben, gedüngt einerseits mit den Inhalten und Formen des Schatzes mündlicher Überlieferungen, die der kleine Camaj in sich aufgesogen hatte, und andererseits mit der umfassenden literarischen Bildung, die er sich bei den Jesuiten in Shkodra angeeignet hatte und sich auf weiteren Stationen seines Lebensweges noch aneignen sollte.

Martin Camaj floh Ende der vierziger Jahre vor dem neuen Regime. In Jugoslawiens Hauptstadt Belgrad studierte er romanische, slawische und albanische Sprach- und Literaturwissenschaft – wiederum in einer fremden Welt, noch dazu in einer fremden Sprache. Nach dem Studienabschluß ging er 1956 mit Hilfe seiner ehemaligen italienischen Lehrer nach Italien. In der Metropole Rom absolvierte er ein weiteres Philologiestudium. Hier hatte er zahlreiche Kontakte zu anderen exilierten Autoren und lernte durch sie und als Chefredakteur einer Literaturzeitschrift den Literaturbetrieb von innen und vor allem die europäischen Gegenwartsliteraturen und die Literatur der europäischen Moderne kennen; besonders beeindruckt war er von T. S. Eliot, Juan Ramón Jiménez und Salvatore Quasimodo.

Camaj distanzierte sich von der Bukolik seiner beiden in Jugoslawien erschienenen Erstlingswerke und vollzog in den beiden in Rom publizierten Bänden den Übergang zum freien Vers. Seine wissenschaftliche Laufbahn fand ihre Endstation in der Professur für Albanologie an der Universität in München, wo er seit 1961 Albanisch unterrichtete. Je mehr hier sein literarisches Hauptwerk heranwuchs – in erster Linie fünf Bände Lyrik und drei Bände Prosa – umso wortkarger wurden seine Gedichte.

2.

Die Publikationsgeschichte Camajs in Deutschland ist ein Trauerspiel, das wir hier lieber übergehen wollen. Nur soviel sei angedeutet: Wann und wo immer hierzulande das Stichwort „albanische Literatur“ fällt, fällt unweigerlich ein Name: Ismail Kadare – und dann verließen sie ihn…

Martin Camaj ist in Albanien noch ein bekannter Unbekannter. In der Zeit der Diktatur war er de facto verboten.

Camajs Literatur war unpolitisch und war gerade dadurch ein Politikum. Der albanische Diktator Enver Hoxha und seine Schranzen hatten die Literatur ideologisiert als „eine mächtige Waffe in den Händen der Partei zur Erziehung der werktätigen Massen im Geist des Sozialismus und Kommunismus.“ Die Politisierung der Literatur ging so weit, daß man ihr eine „marxistisch-leninistische Ästhetik“ überstülpte, in der es nur „Typisches“ gab und nach der das Kollektive alles und das Individuelle nichts galt. Martin Camaj mußte den Herrschenden in Albanien nicht nur dadurch ein Dorn im Auge sein, daß er subjektive Gefühle und individuelle Gedanken artikulierte, sondern auch dadurch, daß man ihn nicht einmal als Vorzeigefeind benutzen konnte. Er schrieb keine antikommunistischen Ergüsse wie viele andere in der Emigration. Camaj sagte von sich: „Ich bin kein Mensch der Politik. Ich bin ein politischer Mensch.“ So einen schweigt man lieber tot.

Der Name Martin Camaj wurde in Albanien erst nach dem offiziellen Ende der Periode des „Sozialistischen Realismus“ allgemein bekannt. Man nahm verwundert zur Kenntnis, daß es fern des Mutterlandes einen bis dato unbekannten Albaner gab, der hochkarätige Literatur schrieb und ein überaus würdiger Träger albanischer Kultur war. Der Name Camaj hatte, zumindest in Nordalbanien, bald Kultstatus. Man trug ihn wie eine Ikone vor sich her, ohne jedoch sein Werk wirklich zu kennen.

Nach der fünfzigjährigen Zäsur des literaturfeindlichen „Sozialistischen Realismus“ war Camajs Werk für die albanischen Leser in seinem hohen Grad an Verdichtung und Abstraktion schwer zugänglich. Zu der anspruchsvollen Textur von Camajs Werken, die immer auch Kompositionen von Bildern und Klängen sind, kommen Schwierigkeiten, Camajs Sprache zu ergründen, ein moderat nordalbanisches Idiom, das seit den siebziger Jahren in Albanien aus der Literatur und dem offiziellen Sprachgebrauch verbannt worden war.

Das Ungewöhnlichste für den albanischen Leser waren wohl zwei Phänomene. Martin Camaj – als Privatperson ein origineller Verächter spießbürgerlicher Konventionen – verabscheute große Worte. So fehlen in seinen Werken drei Elemente, die in Enver Hoxhas Reich und dessen Literatur durchaus kultiviert wurden: Pathetik, vaterländisches Gesülze und die Glorifizierung albanischen Heldentums. Camaj hätte hier sicher dem Wort einer mutigen albanischen Autorin von heute zugestimmt, Elvira Dones: „Albanien braucht keine Schriftsteller, die ihm sagen, wie großartig es ist.“

Das zweite ungewohnte Phänomen war, daß ein bedeutender albanischer Autor die albano-zentrische Sichtweise hinter sich ließ. Camajs Literatur behandelte nicht die „Tragödie der Geschichte des albanischen Volkes“, wie es als Hauptgegenstand albanischer Literatur zu postulieren Ismail Kadare nicht müde wird. Statt um kollektive albanische Belange zu kreisen, hatte Camajs Literatur persönliches Erleben und universale Themen zum Gegenstand. Hier treffen die Worte eines anderen albanischen Nichtkonformisten zu, Kasëm Trebeshina: „Ich denke, daß Literatur eine Reise zum Unbekannten ist, um die Innenwelt des Menschen zu entdecken.“

In der albanischen Literatur war Camaj nicht nur thematisch sondern auch stilistisch ein auf Traditionen aufbauender, Konventionen verwerfender Neuerer. Aus der Schule des Shkodranischen Literaturkreises stammend hat er oberflächlich Archaisierendes und Idyllisierendes rasch überwunden und hat, mit antiker griechischer und lateinischer Literatur, mit Dante ebenso wie mit Montale, Milosz und Alberti vertraut, moderne Lyrik geschrieben. Er hat im Leben wie in der Kunst, was er übrigens nicht voneinander trennte, stets eine Synthese zwischen gegensätzlichen Polen angestrebt: zwischen Archaik und Moderne, zwischen Berg und Tal, Form und Inhalt, zwischen Kunst und Wissenschaft, Lyrik und Prosa, Heimat und Fremde, Nähe und Distanz, Einsamkeit und Gemeinschaft, zwischen männlich und weiblich, zwischen Nord und Süd, warm und kalt, Licht und Dunkel usw. In der Literatur hat er dabei erreicht, wofür er sein Leben lang gekämpft hat: Harmonie.

von Hans-Joachim Lanksch


MARTIN CAMAJ

DEM TOTEN DICHTER

Du warst kurzatmig
denn der Stein am Berg spürte nicht
das Gewicht deiner Verse.
Deinen Namen vergaßen die Mädchen
und der Schatten deiner Verse
trübt nur die Augen reifer Frauen
die träumen von vergangener Jugend.
Deine Freunde, die Dichter, sagen
beschäftigt hättest du dich nur
mit der Farbe der Dinge.
So lebst du auch fort.

 

DICHTUNG

Ein abstraktes Wort, klingend
es wandert über Wünsche in Gesichtern
und Gefühle die untergingen
in Wassern aus Farben.
In reinem Glas erblaßt es
und der Schmetterling
beginnt den Flug kurvenreich
wie eh und je
durch Schatten aus Licht.
Gold ist
nur im Bauch eines Egels
der einst Blut trank.

 

MEIN VERS

Mein Vers war keine Tragödie
am Anfang nicht am Ende nicht.
Er war ein wollener Faden
gesponnen unter den Kuppen
von Frauenfingern
und riß ab bei der Verwundung
des Herzens,
eine hauchfeine Verwundung.
Ein Stengel mit einer Blüte obenauf
ohne Frucht
das wäre
eine Schlange.

 

SCHENKT MIR ETWAS

Schenkt mir was mir behagt
wie der erste Kuß meiner Mutter auf die Stirn;
bereitet mir Freude
wie junges Laub in der Brise sich freut,
schaut mich an wie der Mond durch die Zweige
und alles schenk ich euch dann:
Gevatterin Tod werde ich küssen auf eisstarre Lippen
und in die Höhlen ihres Augs
Tränen dann gießen.
Tritt näher, Mensch!
Aus dem Mark des Hasses möcht ich heraus
wie die Pflanze aus der Saat im Frühling.

 

ZWEI SACHEN SAGTEN MIR DIE ELTERN

Zwei Sachen sagten mir die Eltern solang sie lebten:
Trittst du aus Versehen auf Brot,
Heb’s auf vom Boden, küß es und leg’s auf die Stirn!
Gehorch‘, Junge, denn wir sind alt.
Wenn du an der Feuerstelle sitzt und rauchst
Spuck‘ nicht ins Feuer,
Spuck‘ nicht ins Licht, denn das ist schlecht!
Vieles vergaß ich was die Eltern mir sagten
Andres lernt ich viel und wurde vielleicht ein Schecke;
Doch meinen Söhnen werd ich sagen wenn sie wachsen:
Tretet nicht auf Brot,
Spuckt nicht ins Feuer,
Spuckt nicht ins Licht.

 

ZWEITE ELEGIE

Auf flachem Hügel in weißer Felswelt
der Leithammel kaut und kaut, allein
mutterseelenallein.
Zwei Augen – winzige Spiegel am offnen Feuer –
gebrochen vor winterstarrem Frost
und mein Gesicht werd ich nie mehr sehn.
Mond bricht sich durch Wolken die Bahn allein.
Hinter Wolken der Schatten und hinter erloschnen Sonnen
zieht allein mein Schmerz mit ihm einher.

 

DIE OLEANDER

Tausend Oleander weiß und rot
grüßen das Weiß des Lichtes
und die Weitherzigkeit des stillen Meers.
Der Flug der Schwalben ruft mich
und ich breche auf.
Ein Oleander breitet die rechte Seite aus
als Kopfkissen für die Wangen.
Ich habe Stahl und Feuerstein bei mir
und zwei Kienspane bereit für das Dunkel der Nacht.
Ich breche auf.
Der Flügel der Schwalbe im Vorüberfliegen
kaum berührend küßt die Oleander mit Lippen
die den Geschmack von Schatten in der Hitze haben.
Der Sinn des Endes verfolgt mich.

 

UNTERFÜHRUNG

Er kam ungerufen
wer weiß woher.
Nachts umfaßte ihn der Tunnel
mit vier Wandarmen
zu beiden Seiten, einer unten
und einer oben,
vierfach beleuchtet
hell entflammt
Zwei Füße und ein Schritt
ohne Schatten neben sich
begleiten ihn unter Tage
durch den Fels,
von Stadt zu Stadt.

 

ERINNERUNG

Vor dem Sturz der Engel
in Finsternis
schlief ich mit dir
unter der Decke des Wassers im Meer.
Die Erinnerung an dich ist geblieben,
ein trockenes Blatt am Zweig.
Es reicht ein Bienenflug
darüber hinweg
und es fällt zu Boden
zwischen tausend andere Blätter Laub.

 

Photo von Anila Milani

L U L E (Blume)

I
Heute abend sagte man mir daß ein Mensch starb
darum bin ich traurig, Lule.
Die Liebe ist die einzige steinerne Stütze
wenn jenseits des Zaunes
die Pfeile des Eises fliegen.
Zwei Herzen leiten die Blitze mehr
als zwei Schwerter Rücken an Rücken
die Schneiden nach außen.
Der Gedanke an das Ende, Lule
flieht, wenn du da bist, wie ein wilder Vogel
dorthin, woher das Dunkel kommt.

II
Das Schwarz deiner Augen möchte ich nicht
auf schmalen Stegen treffen.
Die Flamme des Auges will ich auf dem Feld
und dein Apfelherz
auf einem Ast ausgelegt, in der Höhe
eines Armes über der Erde.
Sei stumm in der Dämmerung,
der freundlichen, auf dem Feld
und vor weitherzigem Wind
der jede Grasspitze umarmt.
Lule, zieh das bleiche Gewebe vom Mond
und breite es aus auf der Erde.

III
Deine Augen – Samtblumen – kennen keinen
Frieden. Bring nicht den Wind des Nordens mit
sondern Feuer, daß wir zusammen es erhalten
in dieser langen Nacht.
Lule, die Liebe
weilt hier solange der Mond
im Angesicht unsrer Feuer steht
und bis das Licht des Morgenrots
die letzte Glut verzehrt!

IV
Du bist in meinem Herzen
und ich kann mit keinem Laut sprechen
um die Stille des Fühlens nicht zu zerstören.
Deine Stimme erkenne ich unter den Klängen
von tausend Wasserstrahlen.
Die violette Blume die aufblüht
hat zartbenetzte und schimmernde Blättchen.
So auch deine morgendlichen Lippen.
Du hast hinter den Brauen den Schatten des Sterns
der nur eine Seite entschleiert
und meine Hoffnung, mit der Gestalt deines Schattenbildes
in den Händen, leidet in Schmerzen,
tödlich vielleicht.

V
Mein Fühlen fließt und verliert sich
in deinem bitteren Lächeln.
Tausend Stimmen springen auf
– Schwerter reifer Lilien –
wenn du den Wünschen drinnen
nein sagst. Dann kommt der Regen
und die Spitzen der Lilien werden sanft.
Zwischen die schwarzen Haare und die Brauen
hefte ich den Blick
um den Faden des einzigen Gedichts
meines glutheißen Alters zu finden.

VI
Abgesplittert bin ich, Lule
und ziehe von Ort zu Ort
in Stürmen kalter Nordwinde, gehetzt.
Wenn ich Halt mache, blicke ich in mich
und sehe dein Gesicht und vor dir
Wege von Oleandern gesäumt.
Drei Schritte dahinter
erstreckt sich verbrannte Erde
mit Steinen und Felsen ins Endlose.
Komm wieder am Morgen
in der Zeit des Liedes das gesättigt ist
im Anbruch des Tages.
Wenn du kommst, keimen über verbrannten Ähren
aus Wurzeln neue Triebe.

VII
In der Zeit des Liedes
das der Steinkauz singt
fiel das Licht aus dem Auge eines Sterns
wie ein Meteor auf mich
und beschien dein Gesicht:
es war die Verdammnis des Nachtgeborenen!
Bin Reiter auf schmalen Steigen,
berühre nie wieder
das Morgenrot deiner Haare.
Ich wandere mit den Schatten der späten Nacht
und sehe deine Finger
das weiße Blatt eines Lebens
schließen.

 

WEIT FORT

Wie Zischen des Windes zwischen den Weiden
die satt sind vom Wasser der Bäche
höre ich, vor Zeiten, Verwünschungen
wie sie dem Teufel Leib und Seele vermachen
schauerliche Schwüre
beim Stein, Himmel und der Erde.
Ich bin weit fort von denen die reden wie ich
so weit wie der Mond der von Strahl zu Strahl fällt
und aus Steintrögen Milch trinkt
die draußen steht.
Der Steinkauz im Morgengrauen
und der Stein im Wasser schluckt den Klang
der Verdammung: im Morgengrauen
segnet der Mensch die Sonne wie ich!

 

FORM

Gewand gewebt von einer Hand
von Kopf bis Fuß
Form
eine Freude für Auge und Ohr
Form Einfachheit
entstanden in steiniger Mühe
erfahren auf Pfaden die
kein Fuß kein Huf betrat.
Federleicht scheinend
gewichtig wie Eisen
Klang oder Farbe
lichtklar.

 

VERLORENER FADEN

Vergangene Nacht verlöschten die Lichter und finster
lag die Stadt bis der Tag graute.
Die Frauen suchten Öl und Dochte
und fanden sie nicht im Finstern.
Am Morgen versank die Sonne und blaß
wurden die Flächen der Wolkenkratzer.
Am Morgen besah ich den Kreis der Träume
am Boden
und fand den verlorenen Faden
dort wo das Licht abriß.

 

IN DER SCHATTENTIEFE DER DINGE

In der Schattentiefe der Dinge wo ich heut nachmittag ruhte
gedankenverloren Grashalme zupfte
singen Zikaden der Nacht.
Am Herdfeuer höre ich
Hülsen
des Ginsters
zerspringen in meiner Brust.

 

VENUS, STERN DER SOMMERNACHT

Geboren an einem Streifen Fels
mit drei Ölbäumen:
stiegst von dort herab und kamst
unter die Menschen
an der Lippe der unendlichen Wasser.
Die Sommernacht in solcher Schönheit
wie du
streichelt den Schatten der Stirn
zugewandt dem Meer ohne Licht.

 

SEHNEN LEBENSLANG

Ein Verlangen: die Liebe geschlossener Augen
zwei durchsichtige Äpfel
Kerne aus Feuer darin.
Das festverwurzelte Herz
langt nach ewigem Sehnen
und Regentropfen fallen
auf nimmersatten Karst.

 

DIE SCHWALBE

Schwarze Flügel
inmitten von Schneeflocken
in den Alpen
die Schwalbe
auf verspätetem Zug
gen Süden.
Mit Flügeln wie Laub
des Spätherbstes kämpft sie
gegen wirbelnde Winde an
dem höchsten Paß entgegen.
Jeder hat zwei Wege vor sich
und einen nur die Schwalbe:
weiß werden.

Aus dem Albanischen übersetzt von Hans-Joachim Lanksch

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